Workations – Kreativurlaub auf dem Lande?

Dieser Beitrag erschien auch auf dem Blog wegweiser-kommune.de der Bertelsmann-Stiftung.

 

Sind workations ein Weg, den ländlichen Raum auch für Digital Natives wieder attraktiv zu machen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zunächst einmal klären, was „Workations“ sind. Das Kunstwort setzt sich aus „work“ und „vacation“ zusammen. Also Arbeit und Urlaub.

Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Internetwirtschaft ständig mit neuen Begriffen daherkommt. Freiberufler, die im digitalen Bereich unterwegs sind, werden jetzt Solopreneure genannt. Sie arbeiten im Homeoffice, im Smart Work Center oder im Co-Working Space. Hier steht Ihnen das Equipment und die Infrastruktur wie schnelles Internet, Drucker, Hochleistungsscanner und manchmal auch teure Videokonferenzgeräte zur Verfügung. Außerdem finden Sie in diesen Coworking Center häufig Gleichgesinnte, die an ähnlichen Projekten oder in ganz anderen Bereichen arbeiten und sich so oder dennoch gegenseitig unterstützen und inspirieren können.

Der andere Begriff, der im Zusammenhang mit Workations eine Rolle spielt, ist der der Digitalen Nomaden. Wikipedia definiert digitale Nomaden als „Unternehmer oder auch Arbeitnehmer, der fast ausschließlich digitale Technologien anwendet, um seine Arbeit zu verrichten und zugleich ein eher ortsunabhängiges beziehungsweise multilokales Leben führt.“

Viele dieser digitalen Nomaden arbeiten im weiten Bereich der Internet-Ökonomie. Sie betreiben Websites oder Blogs, verkaufen digitale Produkte wie E-Books oder Online-Videos. Sie sind als Autoren, Übersetzer oder auch als Webdesigner und Softwareentwickler tätig. Eine weitere Tätigkeit, die sich immer mehr ausbreitet, ist die des virtuellen Assistenten.

Bei der Auflistung wird deutlich, dass die Arbeit oftmals orts- und zeitunabhängig erledigt werden kann. Für ihre Berufsausübung benötigen sie Smartphone, Laptop und intelligente Infrastruktur wie Cloud-Dienste o.ä..

Bisher suchen diese digitale Nomaden für das ortsunabhängige Arbeiten, wenn es denn Wochen oder Monate dauern soll, häufig Umgebungen, die Sonne und Strand bieten. Deswegen stehen Thailand, Bali oder auch hippe Städte wie Barcelona bei Ihnen hoch im Kurs.

Und inzwischen werden sogar Kreuzfahrten angeboten, die als Workations organisiert sind und wo die digitalen Solopreneure mit anderen Netzwerke aufbauen, an Kreativworkshops teilnehmen oder einfach auch nur abhängen und feiern können.

Kann der ländliche Raum seine Vorteile nutzen, das Konzept der workations zu realisieren?

Ein wesentlicher Vorteil des ländlichen Raums ist oft die unverbaute Natur, die klare Luft, viel Grün, weniger Stress – ideale Bedingungen für kreatives und entspanntes Arbeiten. Deswegen entfliehen am Wochenende manche digitale Nomaden dem Stress der Großstadt und suchen Entspannung in der ländlichen Umgebung.

Zur Umsetzung des workation-Konzepts könnten bisher verstaubte klassische Seminarhotels in Kreativstätten für digitale Nomaden umgewandelt werden. Das könnte auch für Firmenseminare interessant sein, die die Kreativität ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steigern, Teambildung betreiben und neue Lösungen erarbeiten wollen.

Aber auch hier gilt: Ohne schnelles Internet geht das nicht. Schnelles Internet ist das Lebenselixier dieser digitalen Nomaden. Es ist auch die Voraussetzung um in einer immer vernetzteren Welt Zugang zu Wissen, persönlichen Netzwerken und kreativen Ideen zu haben. In diesen Kreativhotels müsste die Palette modernster vernetzter Informations- und Kommunikationstechnologie verfügbar sein. Hochleistungsfähiges Internet, W-LAN, Cloud Dienste, Videokonferenz-Equipment, 3-Drucker, Scanner und vor allem – viele Steckdosen – sind elementar.

Weil ohne Auto die Erreichbarkeit ländlicher Regionen mit dem ÖPNV sehr mühsam ist, könnte das Kreativhotel sogar Beförderungsketten organisieren, wie das bei den workations auf Schiffen inzwischen üblich ist. Dort werden die Teilnehmer direkt am Flughafen oder am Bahnhof abgeholt und zum Schiff gebracht.

Mit ein wenig Phantasie und konsequenter Orientierung an den Bedürfnissen der digitalen Nomaden könnten workations ein Weg sein, den ländlichen Raum auch für digitale Nomaden wied

Digitalläden – das Apple-Store-Prinzip für den ländlichen Raum?

Der folgende Blogpost wurde zuerst als Gastbeitrag im Blog www.blog.wegweiser-kommune.de der Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht.

Die Digitalisierung erobert in schnellem Tempo unser ganzes Leben. Bildung, Gesundheit, Pflege, Mobilität, Vernetzte Wohnungen oder mit der digitalen Verkehrsumgebung vernetzte Fahrräder. Immer mehr digitale Produkte oder Softwareanwendungen entstehen, bei denen die Werbung suggeriert, dass sie unser Leben einfacher und effizienter machen werden. Produkte wie Smartphones und digitale Uhren werden untereinander vernetzt, es werden Echtzeitdaten angeboten, die uns Auskunft über unseren Gesundheitszustand, die Qualität unseres Schlafes oder unserer gegenwärtigen Kalorienverbrauch anzeigen.

Orte zum Ausprobieren 

Doch wie beschafft sich der Bewohner einer ländlichen Region derartige Produkte? Wo probiert er sie aus? Wer gibt ihm Hilfestellung beim Einrichten und Benutzen? Meistens bleibt ihm nur der Weg in die Technikläden der großen Städte oder der Onlinehandel. Wenn versucht wird, diese Produkte im stationären Handel zu erwerben, erlebt man, dass beispielsweise in sog. Sanitärfachgeschäften einfache technische Fragen kaum beantwortet werden können, weil das Personal dafür nicht geschult ist. Bleibt also nur der Online Handel. Hier scrollt sich der potenzielle Käufer durch zahlreiche Webseiten, vergleicht Preise in verschiedenen Portalen und bestellt das Produkt schließlich im Internet. Meistens wird es dann durch die großen Lieferdienste wie DHL oder DPD ausgeliefert. Hat man Glück, ist man zuhause, wenn es geliefert wird oder die Nachbarin hat es angenommen. Dann beginnt das Unboxing. Voller Erwartung wird das neue digitale Produkt ausgepackt und in Betrieb genommen. Nach wenigen Stunden oder Tagen stellt sich heraus, dass es doch nicht so ganz den Erwartungen entspricht, die Qualität ungenügend oder das Produkt für den eigentlichen Zweck eher unbrauchbar ist. Also wird es wieder eingepackt und an den Hersteller zurückgesandt.

Trainingskurse

Gäbe es auch Alternativen? Der Technologiekonzern Apple hat seit Jahren erkannt, das die Hemmschwelle beim Kauf von Technologie so niedrig wie möglich sein muss. Deshalb hat er in großen Städten die Apple-Stores eröffnet. Die Kunden sollen Produkte ansehen und ausprobieren können. Sie sollen ein Gefühl für das Produkt entwickeln und die verschiedenen Produktvarianten vergleichen können. Und wenn Technik nicht funktioniert, gibt es in den Apple Stores die Genius-Bar. Dort werden technische Störungen beseitigt oder dem Nutzer erklärt, wie er bestimmte Einstellungen vornehmen muss, an denen er vorher immer gescheitert war. Zusätzlich bieten diese Apple Stores auch Fortbildung und Trainingskurse an, damit die Freude mit dem neuen Produkt gleich aufkommen und der Freizeitspaß erhöht oder die Produktivität verbessert werden kann.

Dörflicher Digitalladen 

Könnte dieses Prinzip nicht auch auf auf Standorte im ländlichen Raum übertragen werden? Dazu müßte ein Digitalladen eröffnet werden, in dem wesentliche digitale Produkte aus den Bereichen Gesundheit, Pflege, Mobilität, Bildung, öffentliche Sicherheit o.ä. angeboten werden. Hier würde die Kundschaft diese Geräte oder die Software ansehen, ausprobieren und testen können. Geschulte Verkäuferinnen und Verkäufer stünden zur Seite, um die digitalen Einsteigerinnen und Einsteiger zu beraten und ihnen bei der Produktauswahl zu helfen. Und wenn Geräte nicht mehr funktionieren, wird dem Fehler auf den Grund gegangen und  sie werden wenn möglichst an Ort und Stelle repariert.

Aus Neugierde Kompetenz machen 

Ein so spezialisierter Digitalladen könnte helfen, die Angst vor dem Fehlkauf bei digitalen Produkten zu nehmen. Er würde dazu führen, dass digitale Lösungen in Form von Produkten oder Software auch im ländlichen Raum häufiger genutzt werden, weil sie schneller verfügbar sind. Darüber hinaus könnten Digitalläden auch der erste Schritt zu einer professionellen Assistenzinfrastruktur sein, wenn es um die Benutzung von Internetanwendungen und digitalen Produkten geht. Es ist kein Naturgesetz, dass nur ca. 70 Prozent der Menschen in Deutschland internetaffin sind. Viele stehen noch draußen vor der Tür. Gäbe es Digitalläden, würden sie das Geschäft auch betreten – sei es aus Neugier und weil sie erkannt haben, dass das Potenzial des Internet für die Verbesserung ihrer Lebensqualität sehr hoch ist.