Mit Tattoo und Laptop ins Altersheim

Senioren sind die Stiefkinder der Digitalisierung. Zwar hat der Anteil der Silver Surfer, die regelmäßig das Internet nutzen, erheblich zugenommen, dennoch bleibt immer noch eine grosse Zahl von ihnen offline.
Schauen wir uns die Zahlen an:
Nach der DIVSI Ü60-Studie “Die digitalen Lebenswelten der über 60-jährigen” ist der Wunsch, der über 60-jährigen, am Geschehen im Internet teilzuhaben, deutlich angestiegen. Allerdings ergibt die Studie auch, dass 48% Offliner sind. Der digitale Graben ist in dieser Altersgruppe besonders evident. Inzwischen halten jedoch 44 % der Befragten, das Internet für die beste Erfindung, die es je gab und die Anzahl derer, die an der Digitalisierung teilhaben wollen steigt seit 2012 stetig an.
Umso wichtiger sind die steigenden Werte, da die Verknüpfung von digitaler und sozialer Teilhabe immer enger wird. Deswegen kommen die DIVSI-Forscher zu dem Schluß: “Wenn immer mehr Bereiche des Alltags online gesteuert sind, ist soziale Teilhabe somit nur noch möglich, wenn auch digitale Teilhabe gewährleistet ist.” Denn die Teilhabe umfasst die Chancen, “an den Infrastrukturen und Angeboten einer Gesellschaft umfassend partizipieren zu können und dadurch ein gleiches Maß an sowohl beruflichen wie auch privaten Chancen zu erlangen”.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt der D21 Index 2017.
Der Gedanke liegt also nahe, dass wir das schnelle Internet dorthin bringen, wo sich Senioren am meisten aufhalten. 
Diese Überlegungen hat eine sehr spannende Studie zum Thema „Nutzung und Nutzen des Internet im Alter“ ist kürzlich von Herbert Kubicek und Barbara Lippa veröffentlicht worden.
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Die Studie wurde von der „Stiftung Digitale Chancen“ und dem Telekommunikationsanbieter Telefonica vorgelegt. Darin plädieren sie für einen Masterplan „Mit Senioreneinrichtungen ins Netz“.
Ihre Erkenntnisse beruhen auf einer Befragung von 300 Senioren im Alter von unter 60 Jahren bis 90 Jahren, die am Projekt „Digital mobil im Alter“ im Jahre 2017 teilgenommen haben.
Der vorgeschlagene Masterplan besteht aus vier Kernelementen:
Programm „Mit 30.000 Seniorentreffs ins Netz“
Programm „In 3000 Senioreneinrichtungen ins Netz“
Programm „3000 Personen Online in Pflegeheimen und -stationen“
Pilotprojekte „Internet Aufsuchende“ und „Digitale Assistenz“.
Der Charme der Studie besteht darin, dass die Autoren für wesentliche Programmelemente auch die Kosten ermittelt haben. Für das Programm „Mit 30.000 Seniorentreffs ins Netz“ betragen sie bei dreijähriger Laufzeit auf Basis eines Leihmodells für digitale Endgeräte wie Tablet PCs 4 Mio Euro. Um die 3000 Senioreneinrichtungen ins Netz zu bringen, wären 2,2-6,2 Mio Euro erforderlich . Und für die 3000 Personen Online in Pflegeheimen und Stationen würden bei dreijähriger Laufzeit rund 7,5 Mio Euro anfallen.
Darüber hinaus sprechen sie sich auch für einen bundesweiten Ausbau einer Digitalen Assistenzinfrastruktur aus, wie sie bereits die Bertelsmann Stiftung im Forderungskatalog für ein digitales Deutschland vorschlug. Im Podcast Smart City Talk und in diesem Blog habe ich dieses Thema ja auch häufiger aufgegriffen.
Fazit: Die digitale Spaltung zwischen On- und Offlinern, die sich besonders häufig noch bei älteren Menschen zeigt, kann überwunden werden. Erforderlich dafür sind eine Strategie, Anschubfinanzierungen und Pilotprojekte. Die Studie liefert hierfür wertvolle Ansatzpunkte, die sich die politisch Verantwortlichen in den Gebietskörperschaften, den Wohlfahrtsverbänden und bei den privaten Trägern genauer anschauen sollten.
Wenn die Babyboomer-Generation der heute über 55-jährigen Menschen in Altenheime, betreute Seniorenwohnungsanlagen oder Pflegeheime einzieht, werden sie mit Selbstverständlichkeit schnelle Internetverbindungen und W-LAN erwarten.
Die neue Staatsministerium im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär, sollte diese Herausforderungen zuerst annehmen, anstatt über fliegende Funktaxen zu fabulieren.

Digitale Agenda: Drei Hürden bei der Beteiligung der Stadtgesellschaft

 

Smart City Strategien von Kommunen haben inzwischen die zweite Phase erreicht. Die erste Phase war geprägt vom Dialog der Eliten. Da hatten Technologiekonzerne, Wissenschaftler und die Spitzen von Politik und Verwaltung eine Allianz gebildet. Man könnte das auch den industriell-technologisch-wissenschaftlichen Komplex nennen. Nunmehr hat die zweite Phase begonnen. Zu dieser gehört die Einsicht, dass Strategien zur digitalen Stadt mit der Stadtgesellschaft zusammen entwickelt werden sollten.

Allerdings hört sich das ganz einfach an. Die Stadtgesellschaft mitnehmen und niemanden außen vor lassen. Bei einem Projekt mit einer NRW-Mittelstadt ist mir deutlich geworden, dass es dafür mindestens drei Hürden gibt, die überwunden werden müssen.

Damit meine ich kulturelle, organisatorische und politische Hürden.

Erstens: Kulturelle Hürden

Die kulturelle Hürde besteht darin, dass bei einer Einbeziehung der Stadtgesellschaft sehr unterschiedliche Wissensstände, Lebensformen und Erfahrungen zusammenkommen.

In vielen Städten und Gemeinden wird es in unterschiedlicher Zahl Menschen geben, die sich als digitale Vorreiter verstehen. Egal, ob man sie als Internetaktivisten oder Evangelisten bezeichnen will. Ihre Lebens- und Handlungsweise ist vom Digitalen geprägt. Sie sind meistens online, organisieren Wissensaustausch in Barcamps oder Hackathons. Da sie in der eigenen Stadt nicht so viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter haben, organisieren sie sich überörtlich vernetzt und arbeiten oftmals virtuell zusammen. Einen wesentlichen Schub und ihre Vertretung in der Kommunalpolitik hat diese digitale Avantgarde durch das Wirken der Piratenpartei bekommen.

Meine Mitstreiterin für die digitale Region, Anke Knopp, hatte in Gütersloh Digitalisierungspläne entwickelt und sich als parteilose Bürgermeisterkandidatin beworben. Ihre Erfahrungen hat sie in einem Buch Wahltag. Wie ich kandidierte, einen digitalen Wahlkampf führte und verlor“   beschrieben. Sie hat mit 9 % der Stimmen sehr respektabel abschnitten. Und Gunter Czisch, der CDU Oberbürgermeister von Ulm hatte seinen Wahlkampf mit der Vision einer digitalen Stadt geführt und haushoch gewonnen. Anfangs war er noch als „Spinner“ angesehen worden, wie er in einem Podcast Interview mit mir offenbarte. Oder als letztes Beispiel der Bürgermeister von Wenningsen, Christoph Meineke. Auch dieser hatte einen Wahlkampf mit Hilfe des Internet geführt und bei Facebook sogar über seine Wahlplakate abstimmen lassen.

Allerdings sind Gunter Czisch oder Christoph Meineke in digitalen Fragen nicht repräsentativ für die Mehrheit der Ratsmänner und -frauen. Diese tasten sich gerade mit einigen Mühen an die Chancen, Grenzen und Probleme der digitalen Stadt heran. Ihre Erfahrungswelt ist die klassisch analoge Politik.

Sie sind oft geprägt von der Welt der Ortsvereine/Ortsverbände oder der Parteigremien. Für sie ist ein Barcamp vielleicht eher ein lustiges Trinkgelage auf dem Campingplatz und virtuelle Zusammenarbeit und Webinare sind eher noch Fremdworte.

Ich erinnere mich noch gut an eine Veranstaltung der Arbeitskreises Bürgergesellschaft der Friedlich-Ebert-Stiftung. Wir diskutierten, inwieweit das Internet die Zusammenarbeit der unzähligen zivilgesellschaftlichen Organisationen verbessern kann und was Politik dafür tun muss. Das war vor ca. 15 Jahren. Damals äußerte der damalige SPD-Generalsekretär Olaf Scholz nahezu wörtlich „Solange mein SPD-Ortsverein in Hamburg-Altona diese Fragen nicht diskutiert, hat das Internet für mich keine Relevanz.“

Nachdem die Digitalisierungsdebatte den politischen Mainstream in den Räten langsam erreicht hat und sich viele von ihnen noch in der „Sensibilierungsphase“ befinden, treffen nun digitale Avantgarde und politischer Mainstream mit ihrer unterschiedlichen kulturellen Erfahrung aufeinander. Die erste Herausforderung besteht deshalb darin, diese kulturelle Hürde zwischen ihnen zu überwinden.

Zweitens: Organisatorische Hürden

Dann gibt es zweitens eine organisatorische Hürde. Zwischen den etablierten Parteien und den Digitalaktivisten gab es selten organisatorische Berührungspunkte. Jeder Bereich schottete sich vom anderen ab. Während für die einen die re:publica in Berlin, die Jahrestagung des Chaos Computer Clubs oder die Veranstaltungen des inzwischen aufgelösten „Internet & Gesellschaft Collaboratory e.V.  (CoLab) die Höhepunkte des Jahres waren, war das für die anderen der Bundesparteitag oder manchmal auch nur der Unterbezirksparteitag.

Digitale Avantgarde und politischer Mainstream in den Räten haben keine gemeinsame Formate, keine Austauschplattformen und nutzen keine gemeinsame Collaraborationsplattformen. Organisatorisch leben beide nebeneinander her. Deswegen besteht die zweite Herausforderung nun darin, Formate und Arbeitsformen zu entwickeln, in denen sich beide Sphären bei der Erarbeitung und Umsetzung der digitalen Agenda der Kommune begegnen und miteinander arbeiten können.

Drittens: Politische Hürden

Schließlich gibt es eine dritte Hürde. Ich nenne sie die politische Hürde. Bislang war in den Räten Digitalpolitik entweder gar kein Thema oder man konnte sich parteiübergreifend zum Beispiel auf die Forderung nach dem Aufbau des schnellen Internets verständigen. Nur was man damit machen wollte, wurde selten angesprochen.

Nunmehr entwickelt sich Digitalisierung zum Struktur- und Gestaltungsprinzip und berührt in noch nie dagewesener Weise die Wertvorstellungen, gesellschafts- oder wirtschaftspolitische Grundprinzipien oder die ganz große Zukunftsvision. Die Vision einer digitalen Stadt ist nicht länger bloß die Anwendung von Technologien in den einzelnen Politikbereichen einer Stadt. Jede Partei muss vielmehr für sich definieren, wie sie im Lichte ihrer Grundwerte, ihres Menschenbildes und ihrer Prinzipien digitale Entwicklungspfade beschreiten und digitale Zukunft gestalten will.

Deswegen besteht die dritte Herausforderung darin anzuerkennen, das die Erarbeitung  einer Digitalisierungsstrategie politische Zukunftsgestaltung bedeutet, die durchaus kontrovers diskutiert werden muss.

Wie können diese Hürden überwunden werden?

Für alle drei Hürden gibt es keine einfachen Lösungen. Sie bestehen vielmehr in einem Bündel von Maßnahmen, die helfen können, diese Hürden zu überwinden.

Überwindung von kulturellen Hürden

Die kulturelle Hürde könnte als erstes überwinden werden, wenn sich digitale Avantgarde und Ratsmitglieder aufeinander einlassen. Sie sollten sich gegenseitig ihre Geschichte erzählen und offen für Neues sein. Beschimpfungen wie  „ihr macht das nur als Alibi und habt sowie keine Ahnung“ helfen bestimmt nicht weiter. Dabei muss dem politischen Mainstream aber auch klar sein, dass die Zeit auf der Seite der digitalen Vorkämpfer steht. Langfristig geht es um die Verabschiedung aus der nur analogen Welt.

Die digitale Avantgarde sollte erkennen, dass es sich bei der Digitalisierung um ein sehr dickes Brett handelt, bei dem selbst fachlich Versierte angesichts des schnellen Tempos der technologischen Entwicklung manchmal den Anschluss verlieren können. Wie immer bei dicken politischen Brettern wird es erforderlich sein, dass zunächst die Einsicht in die Veränderungsnotwendigkeit und die Vermittlung von Grundlagenwissen in der Sensibilisierungsphase im Mittelpunkt steht.

Victor Hugo wird das Zitat zugeschrieben „Nichts auf der Welt ist so mächtig, wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist“. Anzuerkennen, dass die digitale Avantgarde ihrer Zeit ein wenig voraus war und längst nicht alle mitkommen konnten oder wollten, wäre ein weiterer Schritt zur gegenseitigen Verständigung. Denn jetzt ist die Zeit für die Digitalisierung der Kommune gekommen.

Überwindung von organisatorischen Hürden

Zweitens wird es notwendig sein, organisatorische Strukturen zu schaffen, damit sich die verschiedenen Akteure der Stadtgesellschaft begegnen können.

In der Stadt Neuss beispielsweise wurde vor zwei Jahren vom Rat eine „Zukunftskommission „Digitale Agenda“ eingerichtet, die sich externe Fachleute eingeladen hat, um sich das ganze Spektrum der digitalen Möglichkeiten vorstellen zu lassen und daraus ein Handlungsprogramm zu entwickeln. Begleitet wird sie von meinem Kollegen Michael Lobeck als externen Berater.

In der Stadt Gütersloh hat der Rat ein Programm „Digitaler Aufbruch Gütersloh“ beschlossen. Dies sieht u.a. vor, die Stadtgesellschaft in einem Prozess zu beteiligen, der sich an den Digitalgipfel-Prozess der Bundesregierung anlehnt. Ein jährlich stattfindendes Digitales Forum und während das Jahres tagende digitale Themengruppen, in den sich Politik, Verwaltung, Unternehmen, Zivilgesellschaft und Wissenschaft auf Augenhöhe begegnen um gemeinsame Projekte für die digitale Stadt zu entwickeln, sind wichtige Bausteine. Darüber hinaus soll es aber auch eine systematische Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in Form einer Ideenplattform geben, die sowohl online als auch offline in den Bürgerzentren durchgeführt wird. Die Stadtverwaltung hat die Stelle eines „Chief Digital Officers (CDO)“ ausgeschrieben, der das Bindeglied zwischen Politik/Verwaltung und Stadtgesellschaft sein wird und sicherstellen soll, dass die verabredeten Projekte auch innerhalb der Stadtverwaltung umgesetzt werden.

Und schließlich wird der jüngeren Bevölkerung eine organisatorisch-inhaltliche Plattform in Gestalt eines U-30 Beirates gegeben, sodass auch deren Belange systematisch in den Prozess einfließen können.

Diese neuen Organisationsstrukturen stellen in der digitalen Stadt lediglich die Bühne dar. Welches Stück darauf gespielt wird und welche Akteure sich in welchen Rollen einbringen können oder wollen und welchen Ausgang das Stück nehmen wird, muss in der Stadtgesellschaft ausgehandelt werden.

Überwindung von politischen Hürden

Digitalisierung und Technikeinsatz sind kein Selbstzweck. Die Stadtgesellschaft muss auch bei der digitalen Agenda akzeptieren, dass für viele Projekte unterschiedliche Vorstellungen, die oftmals wertgeleitet sind, existieren. Je intensiver sich das digitale Grundprinzip in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft durchsetzt, desto intensiver werden auch die politischen Diskussionen im Rat und in der Stadtgesellschaft sein.

Da werden Diskussionen um das Ausmaß der Digitalisierung in den Politikbereichen und um den Mitteleinsatz geführt werden müssen. Da wird die Diskussion um ethische und datenschutzrechtliche Aspekte (Gläserner Bürger) unausweichlich sein. Und schließlich geht es bei der Digitalisierung auch um Machtfragen. Cui bono? Diese Frage wird Gegenstand politischer Debatten sein müssen die sich aber schon seit längerem nicht mehr entlang parteipolitischer Grenzen bewegen.

Im Rahmen der Aufstellung einer digitalen Agenda für die Kommune müssen die kommunalen Akteure gemeinsam eine Frage beantworten. Sie lautet: Wollen wir Opfer oder Gestalter der Digitalisierung sein? Nur wenn politischer Mainstream, digitale Avantgarde und die anderen Akteure der Stadtgesellschaft zusammenarbeiten, kann diese Frage in der Kommune verbindlich beantwortet werden.

 

 

 

Arnsberg – Erfolgsgeschichte einer digitalen Mittelstadt

Vor 11 Jahren waren Franz-Reinhard Habbel und ich in der Stadt Arnsberg. Wir kamen nach mehrstündiger Fahrt in eine große Stadthalle, in der mehrere hundert Menschen versammelt waren. Das war der Auftakt für die Bewerbung der Stadt Arnsberg um den Titel der T-City , den 2006 die Deutsche Telekom ausgelobt hatte. Bürgermeister Hans-Josef Vogel hatte uns eingeladen, damit wir als Externe skizzieren, welche Möglichkeiten Digitalisierung für die Stadt Arnsberg eröffnen kann. Arnsberg gewann damals leider nicht – den Zuschlag bekam die Stadt Friedrichshafen am Bodensee.
Aber Arnsberg hatte damals Blut geleckt und Bürgermeister Vogel erklärte Digitalisierung zu einer wichtigen  Priorität der Stadt. Heute ist Bürgermeister Vogel der neue Regierungspräsident der Bezirksregierung Arnsberg. Zusammen mit Karlheinz Weißer und Wolf D. Hartmann von den Stadtwerken Arnsberg hat er die Erfolgsstory der Digitalisierung in Arnsberg in einem kleinen Buch zusammengefasst. Es trägt den Titel „Smart City. Digitalisierung in Stadt und Land“.
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Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, das es sich um einen guten Überblick über die eingeschlagene Strategie und darauf aufbauende Projekte zur Digitalisierung der Stadt handelt. Fundament ist das Grünbuch „#ARNSBERGdigital als smarte Stadt gemeinsam gestalten“, das die Grundlage für die Jahre 2015 bis 2020 darstellt und gemeinsam mit der Stadtgesellschaft erarbeitet wurde.
In diesem Buch geht es bewusst nicht um neue und neueste Erkenntnisse. Der Wandel ist rasant. Vielmehr liegt sein Wert darin, von engagierten Kommunalpolitikern geschrieben worden zu sein, so dass noch zögernde Räte erkennen können, welche Chancen die Digitalisierung für effiziente, lebenswerte und umweltfreundliche Städte und Regionen bieten kann. Dabei wird wiederholt betont, dass es sich nicht um eine Elitenveranstaltung handelt sondern dass die Stadtgesellschaft als Ganzes in diesen Prozess einbezogen werden muß.
Die westfälische Mittelstadt Arnsberg hat sich damit eine Vorreiterrolle in Deutschland erobert. Die Schrift macht deutlich, dass sie nicht bereit ist, diese Position so schnell abzugeben, weil Arnsberg noch eine Fülle von Ideen hat. In seiner neuen Rolle als Regierungspräsident wird Hans-Josef Vogel sicherlich bald Initiativen entwickeln, wie Stadt, Region und Land in diesem Digitalisierungsprozess Hand in Hand gehen können. Der Zuschlag der NRW-Landesregierung 2017 zur Regionale Südwestfalen 2025 gibt erste Hinweise darauf.

Smart City: Meine fünf Highlights in 2017

 

Das Jahr 2017 ist nun schon wieder Geschichte. Deswegen will ich eine kurze Bilanz meiner persönlichen Smart City Höhepunkte aufzeigen.

Smart Country – Verleihung Reinhard Mohn Preis 

Im Juni 2017 vergab die Bertelsmann Stiftung den Reinhard Mohn Preis  an den früheren estnischen Staatspräsidenten Thomas Hendrik Ilves. Das war der Abschluss des Projektes „Smart Country – Vernetzt, intelligent, digital“. 18 Monate lang hatte ein Team von Experten der Bertelsmann Stiftung, der Beraterfirma PROGNOS und mir recherchiert, ausgewertet und bewertet, welche Erfolgsfaktoren für die Digitalisierung von Ländern und Regionen von Beachtung sind und welche beispielhaften Projekte die Digitalisierung dort in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft fördern. Als Ergebnis wurden zahlreiche Veröffentlichungen und Studien vorgelegt, die die Fragestellung aufnahmen und weiterführten.

Studie „Neue digitale Daten“

Für das Smart Country Projekt der Bertelsmann Stiftung hatte ich selbst auch eine kleine Studie erarbeitet. Sie trägt den Titel „Neue digitale Daten für die Entwicklung smarter Städte und Regionen“. Darin habe ich vier Quellen unterschieden, in denen neue digitale Daten erhoben werden. Diese sind a) Echtzeitdaten, die sich aus der städtischen Infrastruktur heraus ergeben, b) nicht strukturierte Daten aus sozialen Netzwerken, c) Daten aus der Crowd und schließlich d) Echtzeitdaten, die bottom-up von Bürgern oder Unternehmen an die Verwaltung gegeben werden. Zusätzlich generiert die Verwaltung natürlich noch Open Data Daten, die allerdings häufig immer noch eher statischer und historischer Natur sind als das sie mehrheitlich wirklich Echtzeitdaten enthalten.

Sollen diese neue digitalen Daten erhoben, analysiert, verwendet, veredelt oder gar aus ihnen Prognosen abgeleitet werden, so sind zahlreiche Veränderungen in Bezug auf die digitale Infrastruktur aber auch auf die Aufbau- und Ablauforganisation der öffentlichen Verwaltung erforderlich. Darüber hinaus entstehen in der öffentlichen Verwaltung auch neue Rollen, Berufsbilder und Kompetenzen.

 

Wettbewerb Digitale Stadt

Zu den zahlreichen bundesweiten Initiativen gehört sicherlich der vom Bitkom und vom deutschen Städte- und Gemeindebund getragene Wettbewerb „Digitale Stadt“. Angesprochen waren hier Städte, die zwischen rund 100.000 bis 150.000 Einwohner haben sowie über eine gute Verkehrsanbindung sowie eine Hochschule in der näheren Umgebung verfügen.

Als Preis wurde ein zweistelliger Millionenbetrag von den Unternehmen ausgelobt. Ziel des Wettbewerbs war es, „eine Modellstadt mit internationaler Strahlkraft zu schaffen“, die „beweist, das das Leben in der Digitalen Stadt so effizient und bequem, so bürgernah und umweltfreundlich sein wird wie in keiner anderen europäischen Stadt.“

Insgesamt beteiligten sich 14 Städte. In der Vorrunde schieden die Städte  Bergisch Gladbach, Bremerhaven, Cottbus, Göttingen, Gütersloh, Jena, Konstanz, Ludwigsburg und Ratingen aus. Fünf Städte schafften es ins Finale. Diese waren Darmstadt, Heidelberg, Kaiserslautern, Paderborn und Wolfsburg.

Sämtliche Finalisten hatten gut durchdachte und strukturierte Wettbewerbsbeiträge eingereicht, die das ganze Spektrum der Chancen der Digitalisierung einer Stadt aufzeigten. Sehr positiv am Wettbewerb war auch seine große Transparenz. Die beteiligten Städte, der Bitkom und der Städte- und Gemeindebund nutzten oftmals social Media Kanäle, so dass die Bevölkerung stets über den Wettbewerb im Bilde war.

Schließlich wurde mit der Stadt Darmstadt der Sieger gekürt. Er muss nun in den nächsten zwei Jahren beweisen, dass die Digitalisierung für die Bürgerinnen und Bürger aber auch für die Unternehmen erhebliche Vorteile in Bezug auf Lebens-, Aufenthalts- und Arbeitsqualität bringen wird.

Aus vielen Veröffentlichungen der teilnehmenden Städte ist jetzt zu entnehmen, dass alle am Thema weiterarbeiten und die Digitalisierung ihrer Stadt weiter forcieren wollen.

Smart City Kongresse

Smart City oder Digitale Stadt Kongresse und Konferenzen nehmen erheblich zu. Aus der Vielzahl der Veranstaltungen gehörten im Jahre 2017 der Smart City Expo World Kongress in Barcelona und die Blisscity in Frankfurt zu meinen Konferenz-Highlights.

In Barcelona trafen sich im November zum sechsten Mal Städte, Unternehmen, Vertreter der Zivilgesellschaft und Influencer zur SCEWC. Die Veranstaltung in Barcelona sprengte wieder einmal alle Rekorde.

18754 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus aller Welt, 675 ausstellende Unternehmen, 700 Städte und Regionen sowie 420 Vortragende machen Barcelona zu dem internationalen Jahreshöhepunkt der Smart City Bewegung. Allerdings wird es dort auch immer unübersichtlicher. Die Messe hat davon profitiert, dass sie in eine größere Halle umziehen konnte. Leider blieb die Kongressveranstaltung in ihrer angestammten Halle, sodass es dort ziemlich eng wurde. Längst überschneiden sich die Veranstaltungsslots, so dass die Zusammenstellung des Programms für jeden Teilnehmer inzwischen ein bis zwei Stunden Vorbereitungszeit erfordert.

Inhaltlich wurde der Kongress von drei Keynote Vorträgen, zahlreichen Plenarsessions, nahezu 100 themenbezogene Sessions und sog. „Inspirational Talks“ getragen. Hervorzuheben sind die Keynote Speeches von Joan Clos, dem Direktor des UN Habitat Programms. Er hob die Notwendigkeit zur „Smart Urbanization“ hervor. Robert Muggah, Mitgründer des Igarape Instituts, referierte zum Thema „From fragile to resilient cities“. Bettina Warburg, Mitgründerin und Managing Partnerin von Animal Ventures präsentierte den letzten Vortrag. Ihre Keynote trug den Titel „The Rise oft the Decentralised Economy“.

Erstmalig fand in Frankfurt die sog. „Blisscity – die erste Smart City Convention in Deutschland“ statt. Sie wurde hauptsächlich vom Smart City Institut und dem Bundesverband Smart City unter Leitung von Frau Prof. Etezadzadeh getragen. Zahlreiche Unternehmen, vor allem aus der Verkehrs-, Logistik- und Energiebranche unterstützten inhaltlich und finanziell die Veranstaltung. Dabei war es ein kluger Schachzug der Veranstalter die Smart City Konferenz mit dem Hypermotion Kongress 2017 in der Frankfurter Messehalle zu verzahnen.

Der interessanten Konferenz hätte ich mehr Besucher gewünscht, weil die Qualität der Vorträge und Podiumsdiskussionen sehr hoch war. Sie reichte von einem Smart City Überblick aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bis hin zu den Smart City Aktivitäten der Deutschen Bahn oder den Plänen des Volkswagenkonzerns für das autonome Fahren in unseren Städten.

Digitaler Aufbruch Gütersloh

Ebenso wie anderen Städte, die sich am Wettbewerb Digitale Stadt beteiligt hatten, wird auch die 100.000 Einwohner Stadt Gütersloh die Chance nutzen, dass die Sensibilisierung der Bürgerschaft, des Rates, der Verwaltung und der örtlichen Unternehmen für künftige digitale Herausforderungen und den sich daraus ergeben Chancen gestiegen ist. Gütersloh macht mit einem Projekt „Digitaler Aufbruch Gütersloh“ weiter. In mehreren Runden mit dem maßgeblichen Treiber des Projektes – Bürgermeister Henning Schulz – entwickelten wir gemeinsam eine Rahmenkonzeption, in deren Mittelpunkt eine starke Beteiligung der Stadtgesellschaft bei der Erarbeitung der Digitalstrategie steht. Dieser Rahmen wurde im Oktober dem neu gegründeten interfraktionellen Arbeitskreis „Digitalisierung“ vorgestellt und im Dezember dem Hauptausschuss präsentiert. Daraufhin verabschiedete der Hauptausschuss die Vorlage einstimmig und schaffte mit dem Haushalt 2018 eine wesentliche Voraussetzung für das Projekt. Die Stadt Gütersloh wird zu Beginn des Jahres 2018 die Stelle eines „Chief Digital Officers“ ausschreiben. Dieser soll zusammen mit Verwaltung, Politik und der Stadtgesellschaft das Projekt weiterentwickeln und koordinieren.

Der erste Schritt wurde somit gesetzt. In 2018 wird sich zeigen, wie es in Gütersloh – aber auch in den anderen Städten des Wettbewerbs „Digitale Stadt“ – weitergehen wird.

Ich bin davon überzeugt, dass im Jahre 2018 viele dieser Impulse aufgenommen und fortgeführt werden. Im letzten Bundestagswahlkampf hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Digitalisierung vor allem der ländlichen Räume in Deutschland ziemlich weit oben auf der politischen Agenda stehen muss. Deswegen gilt das Motto: Stay tuned.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

, die Smart City Konferenz mit dem Hypermotion Kongress 2017 in der Frankfurter Messehalle zu verzahnen.

Der interessanten Konferenz hätte ich mehr Besucher gewünscht, weil die Qualität der Vorträge und Podiumsdiskussionen sehr hoch war. Sie reichte von einem Smart City Überblick aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bis hin zu den Smart City Aktivitäten der Deutschen Bahn oder den Plänen des Volkswagenkonzerns für das autonome Fahren in unseren Städten.

Digitaler Aufbruch Gütersloh

Ebenso wie anderen Städte, die sich am Wettbewerb Digitale Stadt beteiligt hatten, wird auch die 100.000 Einwohner Stadt Gütersloh die Chance nutzen, dass die Sensibilisierung der Bürgerschaft, des Rates, der Verwaltung und der örtlichen Unternehmen für künftige digitale Herausforderungen und den sich daraus ergeben Chancen gestiegen ist. Gütersloh macht mit einem Projekt „Digitaler Aufbruch Gütersloh“ weiter. In mehreren Runden mit dem maßgeblichen Treiber des Projektes – Bürgermeister Henning Schulz – entwickelten wir gemeinsam eine Rahmenkonzeption, in deren Mittelpunkt eine starke Beteiligung der Stadtgesellschaft bei der Erarbeitung der Digitalstrategie steht. Dieser Rahmen wurde im Oktober dem neu gegründeten interfraktionellen Arbeitskreis „Digitalisierung“ vorgestellt und im Dezember dem Hauptausschuss präsentiert. Daraufhin verabschiedete der Hauptausschuss die Vorlage einstimmig und schaffte mit dem Haushalt 2018 eine wesentliche Voraussetzung für das Projekt. Die Stadt Gütersloh wird zu Beginn des Jahres 2018 die Stelle eines „Chief Digital Officers“ ausschreiben. Dieser soll zusammen mit Verwaltung, Politik und der Stadtgesellschaft das Projekt weiterentwickeln und koordinieren.

Der erste Schritt wurde somit gesetzt. In 2018 wird sich zeigen, wie es in Gütersloh – aber auch in den anderen Städten des Wettbewerbs „Digitale Stadt“ – weitergehen wird.

Ich bin davon überzeugt, dass im Jahre 2018 viele dieser Impulse aufgenommen und fortgeführt werden. Im letzten Bundestagswahlkampf hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Digitalisierung vor allem der ländlichen Räume in Deutschland ziemlich weit oben auf der politischen Agenda stehen muss. Deswegen gilt das Motto: Stay tuned.

 

 

Plädoyer für eine digitale Assistenzinfrastruktur

Erinnern sie sich noch an Oma Anneliese? Sie wurde in einer Broschüre der Bertelsmann Stiftung „Perspektive Smart Country. Wie digitale Innovationen unser Leben verändern“ von mir vorgestellt.

 

„Anneliese, 75, lebt in einem Altenheim und ist pflegebedürftig. Als eine der ersten Altenheimbewohnerinnen hat sie sich einen schnellen Breitbandanschluss legen lassen. …Mit ihren Kindern und Enkeln konnte sie die Interaktion erheblich verbessern, seit sie ihren Tablet-PC auch zum Videochat nutzt.“

 

Seit nunmehr drei Jahren ist sie stolze Besitzerin eines Tablet PCs. Darauf sieht sie sich die Fotos an, die ihre Kinder oder Enkelkinder mit ihr teilen. Auf diese Weise kann sie an deren Leben trotz grosser Entfernungen teilhaben. Aber besonders liebt sie den Videochatdienst FaceTime, den sie zur Kommunikation auch rege nutzt. Inzwischen versucht sie sogar ihre in einem anderen Bundesland lebende Schwester davon zu überzeugen. Aber die will nicht so recht und verweist auf ihr Alter von 78 Jahren. Anneliese sagt dann, dass sie ja noch ein wenig älter sei.

 

Oma Anneliese ist im digitalen Zeitalter angekommen und ganz zufrieden damit. Doch der größte anzunehmende Unfall passiert immer dann, wenn APPLE die Software aktualisiert. Oma Anneliese ist dann ganz aufgelöst, weil auf ihrem Tablet PC plötzlich ein Hinweis erscheint, der ihren Bildschirm verändert und sie zu einer Handlung auffordert (Software-Update). In dieser Situation musste der Enkel helfen. Er stand ihr mit Rat und Tat zur Seite und nahm das Update vor. Nunmehr hat der Enkel sein Studium beendet und wird sehr bald die Heimatstadt verlassen. Damit steht steht er Oma Anneliese als Erste Hilfe nicht mehr oder nur eingeschränkt zur Verfügung.
Oma Anneliese fragt sich nun, was sie tun soll. Schließlich hat sie sich inzwischen an die digitale Kommunikation gewöhnt und schätzt den Videochat mit Kindern und Enkelkindern.
In einer derartigen Situation befinden sich viele Menschen – vor allem ältere sind davon betroffen.
Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten:

 

  1. Die Technologieanbieter sorgen selbst für umfangreiche Schulungen. So hat beispielsweise Apple in seinen wenigen Läden einige Schulungsangebote. Hier wird man mit Geräten und Software vertraut gemacht. Vor einigen  Monaten habe ich eine derartige Schulung besucht. „iPad für Fortgeschrittene“. IMG_0880Das Training war kostenlos und gut besucht. Es stellte sich allerdings schnell heraus, dass es auch eine Verkaufsveranstaltung für das neue iPad Pro war. Die Mehrzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren deutlich über 65 Jahre. Ich war der zweitjüngste – und das mit 60. Fast alle hatten Erfahrungen mit dem alten iPad ohne Digitalstift etc.. Deswegen sollten sie meiner Meinung nach auf das neue iPadPro leckerfritzig gemacht werden.
  2. Senioren helfen Senioren, wie das Beispiel der Techniklotsen in Hannover zeigt, das kürzlich mit dem goldenen Internetpreis ausgezeichnet wurde.
  3. „Der digitale Enkel“ So hat die SZ im Oktober 2017 einen Artikel überschrieben, der die Möglichkeiten des „Freiwilligen Sozialen Jahres Digital“ skizziert. Dieses wurde auf Antrag der SPD-Bundestagsfraktion 2014 ins Leben gerufen und umfasst mehrere Pilotvorhaben.

Allerdings sind diese Initiativen oftmals sporadisch, wenig koordiniert und sicherlich nicht flächendeckend. Deshalb hat der Expertenkreis „Smart Country“ der Bertelsmann Stiftung in seinem „Forderungskatalog für ein Digitales Deutschland“ die Forderung erhoben, eine digitale Assistenzinfrastruktur flächendeckend aufzubauen. Wörtlich heißt es:

 

Eine flächendeckende Assistenzinfrastruktur aufbauen
„Neben dem Zugang zu digitaler Infrastruktur ist die dauerhafte Gewährleistung digitaler Souveränität ein ebenso wichtiges korrespondierendes Ziel. Um die Nutzung der Digitalisierung in Deutschland zu fördern, sollte eine – nicht nur digitale, sondern auch physische – flächendeckende Assistenzinfrastruktur aufgebaut werden. Sie hilft, auch bisher abseitsstehenden Bevölkerungsgruppen, die Chancen dieser Technologie (z.B. in Gesundheit, Bildung, und im Verkehr) zu nutzen. Darüber hinaus müssen bezahlbare, diskriminierungsfreie Angebote und Werkzeuge für eine sichere Kommunikation und Interaktion bereitgestellt werden.“

 

Die Bereitstellung einer digitalen Assistenzinfrastruktur ist eine flächendeckende Aufgabe, der sich Bund, Länder und Kommunen stellen müssen. Sie sollte Bestandteil einer jeden digitalen Agenda werden. Ansonsten droht die Vertiefung der digitalen Spaltung. Oma Anneliese will weiterhin digital bleiben – doch dazu benötigt sie die Hilfe der Zivilgesellschaft, der Unternehmen oder auch der Digital Natives, die sich für das Gemeinwohl engagieren wollen.

Smarte Baustelleninformationen – Hol- anstatt Bringschuld?

IMG_1361 2In Berlin und in vielen deutschen Städten und Gemeinden werden ständig Straßen aufgerissen, Schienen neu verlegt, Abwässerkanäle erneuert und (hoffentlich viel) Glasfaser bereitgestellt. All dies erneuert die Stadt, schafft aber auch neue Herausforderungen und Beschwernisse während der Baumaßnahmen.

Wie werden eigentlich die betroffenen Bürgerinnen und Bürger informiert? Und wer zählt zu den „Betroffenen“? Ist die Information digital vorhanden? Erfolgt sie, in dem sie abgerufen werden muß oder wird die Information gepusht? Schließlich: Wie werden diese Baustelleninfos eigentlich präsentiert?

Da ich mich über eine Baustelle wunderte, die plötzlich da war und meine Joggingstrecke im Mauerpark betraf, bin ich mal auf die Suche nach INFORMATIONEN gegangen. Tatsächlich wurden die unmittelbar betroffenen Anwohner durch einen PapierAushang an ihrer Haustür durch die Berliner Wasserbetriebe informiert. Diese werden nämlich in zweijähriger Bauzeit einen Stauwasserkanal unter dem Mauerpark errichten. Zwei Jahre  wird der beliebte und belebte Mauerpark also eine große Baustelle sein.

So sieht der Papieraushang aus, der an die Haustüren der unmittelbar angrenzenden Bernauer/Eberswalder Str. mit Tesafilm befestigt wurde.

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Wie gesagt: Informiert wurden nur die unmittelbaren Anlieger. Doch Bürgerinnen und Bürger, die wie ich ca. 100 Meter weiter weg wohnen, wurden gar nicht informiert bzw. sind vielleicht nur zufällig auf diesen Zettel gestoßen.

Schauen wir uns also an, wie das Berliner Bezirksamt Pankow seine Bürgerinnen und Bürger über die immerhin zweijährige Baustelle Informiert.

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Abgesehen davon, dass die Formulierung „einigen Einschränkungen“ auf mich eher verniedlicht wirkt, denkt das Bezirksamt, dass die Anwohnerinformation, auf die es hier verweist (der Papierzettel der BWB), wohl eher eine Hol-Schuld ist. Wenn die Bürgerinnen und Bürger sich über die aktuellen Baumassnahmen im Bezirk informieren wollen, sollen sie gefälligt auf die Webseite des Bezirks gehen und sich diese Informationen holen.

Doch ist das smart und zukunftsfähig? Hat nicht auch der Berliner Senat beschlossen, dass Daten frei und leicht zugänglich sein sollten?

Was hindert den Bezirk eigentlich daran, Baustelleninformationen so aufzubereiten, dass sie einen auf Blick erkennbar sind? Dazu würde  lediglich eine digitale Straßenkarte benötigt. Auf dieser würden sämtliche Baumaßnahmen öffentlicher Akteure verzeichnet. Wer, was, warum, wie lange, welche Alternativen? – diese Infos würden schon ausreichen. So könnten die Betroffenen auf einen Blick sehen, wie die Stadt ihre Infrastruktur erneuert und welche Beeinträchtigungen sich daraus für welchen Zeitraum ergeben. Und in einem zweiten Schritt könnte die ständige Erneuerung selbst erfolgen, weil Informationsprozesse mit Echtzeit-Daten pflegeleicht sind.

Natürlich müßte ich mir trotzdem noch eine neue Joggingstrecke suchen. Aber ich würde das in dem Bewußtsein tun, als Bürger ernst genommen zu werden. Smarte Daten sind keine Hol- sondern eine Bringschuld in einer Stadt, die Smart City werden will.

Bas Boorsma: A New Digital Deal (Buchrezension)

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Digitalisierung ist wesentlich mehr als nur die elektronische Aktenführung und das digitale Dokumentenmanagement. Sie ist inzwischen ein Strukturprinzip für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft geworden.
Dies haben auch Politik und Verwaltung erkannt. Dennoch erzeugt Digitalisierung bei vielen auch Ängste und Unsicherheiten, weil sie sich eher als deren Opfer sehen. Sie können nicht verstehen, dass Digitalisierung kein hinzunehmbares Schicksal sondern eine politische Gestaltungsaufgabe ist.
Das ist die Kernaussage des bemerkenswerten Buches von Bas Boorsma „A new Digital Deal. Beyond Smart Cities. How to best leverage Digitalization for the benefit of our Communities.“. Boorsma fordert Politik, Verwaltung, Unternehmen und die Zivilgesellschaft auf, einen „New Digital Deal“ zu schließen, weil die Herausforderungen der Digitalisierung und die damit verbundenen Chancen nur gemeinsam in einem offenen Dialog und koordiniertem Handeln genutzt werden können.
Bas Boorsma war einige Jahre mein Kollege bei der Strategiegruppe „Internet Business Solutions Group (IBSG)“ beim Technologiekonzern Cisco. Er war massgeblich an Programmen wie „Connected Urban Development“ beteiligt, wo Cisco mit Städten wie Amsterdam, Seoul und San Francisco Strategien zur Bekämpfung des CO2 Ausstosses mit Hilfe von vernetzter Informations- und Kommunkationstechnologie erarbeitete. Daraus entstand dann im Kontext der Smart City Entwicklung das Programm „Smart und Connected Cities and Communities“, in dem weltweit zahlreiche Städte und Regionen in der Zusammenarbeit mit Cisco Lösungen für mehr Urbanität, Lebens-, Arbeits- und Aufenthaltsqualität entwickelten. Heute arbeitet er bei Cisco als Direktor im Bereich Internet der Dinge und City Digitilization.
Dennoch ist das Buch von Bas Boorsma kein Buch, in dem technologische Entwicklungen im Mittelpunkt stehen. Technologie muss in den Städten und Regionen immer dem Ziel dienen, das Leben der Menschen und das Erwirtschaften von Ein- und Auskommen zu ermöglichen.
Boorsma zeigt zunächst die Megatrends bei der technologischen und darauf fußenden ökonomischen Entwicklung auf (besonders Internet of Things und Plattformökonomie) und kommt dann auf verschiedene Phasen der Smart City Entwicklung zu sprechen, die er durchaus selbstkritisch reflektiert und kommentiert. Diese Einschätzung nimmt er für die wichtigsten Handlungsfelder der Smart City Strategieentwicklung vor. Themen sind u.a. Gesundheit, neues Arbeiten, Transformation der öffentlichen Verwaltung oder die Energie- und Umweltwende. Wer sich über neue Trends und Entwicklungen in diesen Handlungsfeldern informieren möchte, wird hier schnell fündig.
Den Hauptteil des Buches stellt die Vorstellung von nicht weniger als 20 Bausteinen (Building blocks) dar, die grundlegend für die Digitalisierung, von Städten, Regionen und auch Nationen sind. Dazu gehören u.a. Klassiker wie Vision, Führung und Governance aber auch neue Bausteine wie Big Data Analytics und Künstliche Intelligenz oder Cybersicherheit und Widerstandsfähigkeit (Digital Resilience). Boorsma ordnet diese Bausteine in vier Gruppen: Grundlagen (foundational), Technologie, Organisation und Orchestrierung sowie Werte (values).
Das Buch runden Kurz-Interviews mit 25 Innovatoren des Public Sector, die aus Städten oder Regionen, der Zivilgesellschaft oder aus der Wirtschaft kommen, ab.
Insgesamt ein sehr lesenswertes Buch, das sicherlich in einer Reihe mit dem 2013 veröffentlichten Buch von Anthony Townsend „Smart Cities: Big Data, Civic Hackers and the Quest for a new Utopia“ stehen wird.

„Smart Country – Basislektüre“. Neue Studien der Bertelsmann Stiftung

Smart Country – Vernetzt.Intelligent.Digital“ – unter diesem Motto verlieh in der letzten Woche die Bertelsmann Stiftung den Reinhard-Mohn-Preis 2017 an den ehemaligen estischen Staatspräsidenten Toomas Hendrik Ilves. Vorausgegangen waren 18 Monate intensiver Recherche, Vor-Ort-Besuche und zahlreicher Expertenmeetings. Ziel war es, Erfolgsfaktoren für die Digitalisierung von Nationen und ländlichen Räumen abseits von Metropolen herauszufiltern.

In diesem Rahmen sind zahlreiche Studien entstanden, die das Thema „Smart Country“ umreißen, mit Leben erwecken und vertiefen. Darüber hinaus wurden zahlreiche Videos mit Experten oder als Länderberichte erstellt.

Basisinformation: Länderberichte und Best Practices

Die grundlegenden Erkenntnisse wurden in der Veröffentlichung Smart Country – Vernetzt. Intelligent. Digitaldargelegt, die auch als e-Book erhältlich ist. Ausgehend von einer Defizitanalyse der deutschen Digitalisierungsbemühungen zeigt die Schrift zahlreiche Best Practices auf, die das Team im In- und Ausland fand. Sie beziehen sich auf wesentliche gesellschaftliche Anwendungen aus den Handlungsfeldern Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Arbeit, Mobilität und Logistik, Gesundheit und Pflege sowie Lernen und Informationen.

Im Mittelpunkt stehen jedoch die Länderberichte über erfolgreiche nationale Digitalisierungsstrategien. Ausgehend von einer längeren Liste erfolgreicher Staaten hat das Team der Bertelsmann Stiftung zusammen mit der Beratungsgesellschaft Prognos zum Schluss vier Länder eingehender untersucht und seine Rechercheergebnisse in Länderprofilen zusammengefasst. Estland zeichnete sich dabei besonders durch einen konsequenten Transformationsweg hin zu einem digitalen Staat aus. In Schweden bereitete eine erstklassige Netzinfrastruktur, die sehr früh auf Glasfaser setzte und die Vielzahl der staatlichen, wirtschaftlichen und kommunalen Akteure in diesen Prozess einbezog, den Boden für die erfolgreiche digitale Transformation. Israel verzeichnet rasantes digitales Wachstum und eine ausgeprägte Start Up Kultur. Neben dem amerikanischen Silicon Valley gehört Israel heute zu den führenden High Tech Regionen. Und schließlich sah sich das Team auch in Österreich um.  Österreich ist seit langem der e-Government Spitzenreiter in Europa durch die konsequente Nutzung digitaler De-Facto Standards.

 

Über diese Ausarbeitung hinaus hat das Team der Bertelsmann Stiftung zusammen mit Dritten Studien vorgelegt, die sowohl die infrastrukturellen Voraussetzungen für Smart Country beleuchten als sich auch mit wesentlichen Handlungsfeldern der Chancen der Digitalisierung befassen.

Welche übergreifenden Studien sind erhältlich?

In der Studie „Ausbaustrategien für Breitbandnetze in Europa“ wird in guter Tradition der Bertelsmann Stiftung die Frage gestellt, was Deutschland vom Ausland lernen kann. Diese Studie wurde vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung erstellt. Hauptergebnis: Da digitale Teilhabe und die Nutzung technologischen Fortschritts von leistungsstarken Infrastrukturen abhängt, ist die Versorgung auch des ländlichen Raums mit Breitband auf Glasfasertechnologie unabdingbar.

Aus diesem Grund braucht Deutschland ein zukunftssicheres leistungsfähiges Glasfasernetz, das schnelle Übertragungsraten im Gigabit-Bereich leisten kann. Eine flächendeckende Glasfaserinfrastruktur ist auch Grundlage für den Ausbau von 5G-Mobilfunknetzen. Damit sie den Datenverkehr für intel-ligente Mobilität und das Internet der Dinge weiterleiten können, müssen die Mobilfunkstationen direkt an das Glasfasernetz angeschlossen sein. Beim Glasfaserausbau hinkt Deutschland jedoch hinterher und ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gerade im ländlichen Raum gravierend unterversorgt.

Damit diese Glasfaser-Infrastrukturziele erreicht werden können, empfiehlt die Studie u.a. ein stärkeres Engagement der Kommunen, Open Access Strategien und neue Ansätze der Partnerschaft zwischen öffentlichen und privaten Partnern.

 

Die Studie „Smart Country – regional gedacht -, die von Thorsten Wiechmann und Thomas Terfrüchte vom Institut für Raumordnung der Technischen Universität Dortmund erarbeitet wurde, empfiehlt, bei Smart Country Digitalisierungsansätzen nicht alles über den großen Kamm zu scheren, sondern eher teilräumliche Besonderheiten stärker zu berücksichtigen. Diese beziehen sich vor allem auf Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Erhaltung/Stärkung der Wirtschaftskraft und der Daseinsvorsorge. Die Dortmunder Forscher nahmen anhand eines Clusteransatzes die Entwicklungschancen von Städten und Landkreisen in Deutschland unter die Lupe. Nunmehr lässt sich jede dieser Gebietskörperschaften einordnen und darauf aufbauend eine regionale digitale Entwicklungsstrategie erarbeiten.

 

Studien für einzelne Handlungsfelder

Kommen wir zu ausgewählten Handlungsfeldern der Digitalisierung, die Smart Country Strategien beinhalten sollten. Sie betreffen die Handlungsfelder Politik/Verwaltung, Mobilität sowie Alternde Gesellschaft. Außerdem wurden zwei Studien erarbeitet, die sich mit Open Data bzw. dem Einsatz von neuen digitalen Daten für Stadt- und Regionalentwicklung auseinandersetzen.

Diese Einzelstudien werden in kommenden Blogposts detaillierter vorgestellt.

 

Smart City Talk Podcast 14 – Smart Country

In der 14. Folge des Podcast „Smart City Talk“ unterhalte ich mich mit Carsten Große Starmann, Projektleiter bei der Bertelsmann Stiftung.

Der renommierte Reinhard-Mohn-Preis wird 2017 zum Leitthema „Smart Country – Intelligent-Vernetzt-Digital“ vergeben. I

Im Podcast wird der Smart Country Ansatz der Bertelsmann Stiftung beleuchtet. Außerdem werden wesentliche Unterschiede bei der Digitalisierung unterschiedlicher Länder wie Estland, Schweden, Österreich oder Israel angesprochen.

Darüber hinaus zeigt Carsten Große Starmann auf, welche Studienergebnisse zum Smart Country 2017 noch zu erwarten sind und wer den Preis im Jahre 2017 gewonnen hat.

Die Bertelsmann Stiftung wird zum Leitthema in den nächsten Wochen zahlreiche Studien veröffentlichen. Zwei sind bereits erschienen.

Open Data – Wertschöpfung im digitalen Zeitalter“ und „Neue digitale Daten für die Entwicklung smarter Städte und Regionen“. In der zweiten Studie geht es vor allem um die technologischen, politischen und administrativen Grundlagen zur Nutzung von Echtzeitdaten, die in einer intelligenten Infrastruktur gewonnen werden.

Weitere Studien werden u.a zu „Digitale Transformation der Verwaltung“, „Mobilität 2027-2037“ oder „Digitalisierung für mehr Optionen und Teilhabe im Alter“ erstellt. Ebenso wird das große Thema „superschnelle Breitbandverbindungen“ bearbeitet.

 

Digitalläden – das Apple-Store-Prinzip für den ländlichen Raum?

Der folgende Blogpost wurde zuerst als Gastbeitrag im Blog www.blog.wegweiser-kommune.de der Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht.

Die Digitalisierung erobert in schnellem Tempo unser ganzes Leben. Bildung, Gesundheit, Pflege, Mobilität, Vernetzte Wohnungen oder mit der digitalen Verkehrsumgebung vernetzte Fahrräder. Immer mehr digitale Produkte oder Softwareanwendungen entstehen, bei denen die Werbung suggeriert, dass sie unser Leben einfacher und effizienter machen werden. Produkte wie Smartphones und digitale Uhren werden untereinander vernetzt, es werden Echtzeitdaten angeboten, die uns Auskunft über unseren Gesundheitszustand, die Qualität unseres Schlafes oder unserer gegenwärtigen Kalorienverbrauch anzeigen.

Orte zum Ausprobieren 

Doch wie beschafft sich der Bewohner einer ländlichen Region derartige Produkte? Wo probiert er sie aus? Wer gibt ihm Hilfestellung beim Einrichten und Benutzen? Meistens bleibt ihm nur der Weg in die Technikläden der großen Städte oder der Onlinehandel. Wenn versucht wird, diese Produkte im stationären Handel zu erwerben, erlebt man, dass beispielsweise in sog. Sanitärfachgeschäften einfache technische Fragen kaum beantwortet werden können, weil das Personal dafür nicht geschult ist. Bleibt also nur der Online Handel. Hier scrollt sich der potenzielle Käufer durch zahlreiche Webseiten, vergleicht Preise in verschiedenen Portalen und bestellt das Produkt schließlich im Internet. Meistens wird es dann durch die großen Lieferdienste wie DHL oder DPD ausgeliefert. Hat man Glück, ist man zuhause, wenn es geliefert wird oder die Nachbarin hat es angenommen. Dann beginnt das Unboxing. Voller Erwartung wird das neue digitale Produkt ausgepackt und in Betrieb genommen. Nach wenigen Stunden oder Tagen stellt sich heraus, dass es doch nicht so ganz den Erwartungen entspricht, die Qualität ungenügend oder das Produkt für den eigentlichen Zweck eher unbrauchbar ist. Also wird es wieder eingepackt und an den Hersteller zurückgesandt.

Trainingskurse

Gäbe es auch Alternativen? Der Technologiekonzern Apple hat seit Jahren erkannt, das die Hemmschwelle beim Kauf von Technologie so niedrig wie möglich sein muss. Deshalb hat er in großen Städten die Apple-Stores eröffnet. Die Kunden sollen Produkte ansehen und ausprobieren können. Sie sollen ein Gefühl für das Produkt entwickeln und die verschiedenen Produktvarianten vergleichen können. Und wenn Technik nicht funktioniert, gibt es in den Apple Stores die Genius-Bar. Dort werden technische Störungen beseitigt oder dem Nutzer erklärt, wie er bestimmte Einstellungen vornehmen muss, an denen er vorher immer gescheitert war. Zusätzlich bieten diese Apple Stores auch Fortbildung und Trainingskurse an, damit die Freude mit dem neuen Produkt gleich aufkommen und der Freizeitspaß erhöht oder die Produktivität verbessert werden kann.

Dörflicher Digitalladen 

Könnte dieses Prinzip nicht auch auf auf Standorte im ländlichen Raum übertragen werden? Dazu müßte ein Digitalladen eröffnet werden, in dem wesentliche digitale Produkte aus den Bereichen Gesundheit, Pflege, Mobilität, Bildung, öffentliche Sicherheit o.ä. angeboten werden. Hier würde die Kundschaft diese Geräte oder die Software ansehen, ausprobieren und testen können. Geschulte Verkäuferinnen und Verkäufer stünden zur Seite, um die digitalen Einsteigerinnen und Einsteiger zu beraten und ihnen bei der Produktauswahl zu helfen. Und wenn Geräte nicht mehr funktionieren, wird dem Fehler auf den Grund gegangen und  sie werden wenn möglichst an Ort und Stelle repariert.

Aus Neugierde Kompetenz machen 

Ein so spezialisierter Digitalladen könnte helfen, die Angst vor dem Fehlkauf bei digitalen Produkten zu nehmen. Er würde dazu führen, dass digitale Lösungen in Form von Produkten oder Software auch im ländlichen Raum häufiger genutzt werden, weil sie schneller verfügbar sind. Darüber hinaus könnten Digitalläden auch der erste Schritt zu einer professionellen Assistenzinfrastruktur sein, wenn es um die Benutzung von Internetanwendungen und digitalen Produkten geht. Es ist kein Naturgesetz, dass nur ca. 70 Prozent der Menschen in Deutschland internetaffin sind. Viele stehen noch draußen vor der Tür. Gäbe es Digitalläden, würden sie das Geschäft auch betreten – sei es aus Neugier und weil sie erkannt haben, dass das Potenzial des Internet für die Verbesserung ihrer Lebensqualität sehr hoch ist.